Die Tschechische
Republik präsentiert sich als demokratischer Staat, dessen Behörden Gesetze sorgfältig einhalten. Wichtig
ist nicht, was der Staat über sich selbst sagt, nur die Wahrheit zählt. Es
scheint, dass besonders im Bereich Strafverfahren unterschiedlichste Ausnahmen
anzutreffen sind.
In
Brünn beispielsweise wurden zwei Strafverfahren eingeleitet, die den
tschechischen Staatsbürger iranischer Abstammung und angeblichen Milliardär, Shahram Abdullah
Zadeh, betreffen. Der Anklage im „großen“ Verfahren zufolge war er Chef
von einer Tätergruppe, die innerhalb von 13 Monaten 2,5 Milliarden CZK (etwa
96 Millionen EUR) Mehrwertsteuer absichtlich nicht bezahlt hat. Zusammen mit ihm
stehen weitere 14 Angeklagte vor Gericht stehen, aber Dutzende kleine
Verkäufern, die keine Mehrwertsteuer gebezahlt haben und dann untergetaucht
sind, blieben für die Polizei unbekannt oder sind zumindest nicht durch die
Staatsanwaltschaft nicht angeklagt worden. Von den 14 Mitangeklagten hatten
nur vier Personen etwas mit Shahram Abdullah Zadeh etwas zu tun, die anderen
haben ihn erst während der Ermittlungen kennengelernt.
Obwohl
ich bei allen Gerichtshandlungen anwesend war, habe ich bisher nicht erfahren,
wie bzw., mit
welchen Mitteln Shahram Abdullah Zadeh Dutzende von Verbrechern leiten
konnte, wenn die Leute keinen Kontakt zu ihm hatten, er ihnen sogar
unbekannt war. Am wenigstens die
Mitangeklagten keine Zeugnis gegen ihm vorgestellt haben. Ich bin jetzt
gespannt, ob sich die Situation im Herbst verändert, wenn die Zeugen verhören
werden.
Zu
Beginn der Ermittlungen verfolgte die Polizei einen gewissen
Petr Pfeifer, Chef der Hauptgeschäftsgesellschaft des gesamten Netzes, als
Hauptverbrecher. Dan sind plötzlich, aus unbekanten Gründen alle Dokumenten
über Petr Pfeifer verschwunden, und er selbst wurde zum Kronenzeugen. Er ist sogar nicht
beschuldigt worden. Seinen Platz im Puzzle nahm
Shahram Abdellah Zadeh, welcher
der Polizei bisher unbekannt war. Bisher ist nur
sicher, dass seine Firmenggruppe Stron Strike AG der Gruppe von Petr Pfeifer
einen hohen Kredit gewährt hat und auch Petr Pfeifer einige Millionen CZK für
seinen persönlichen Bedarf geliehen hat (es ist für den Schuldner immer
vorteilhaft, dem Gläubiger ins Gefängnis zu helfen).
Das
„große“ Gerichtsverfahren kommt außerordentlich langsam voran. Die öffentlichen
Gerichtsverhandlungen begannen im Januar 2016, und bis Anfang Juni 2017 fanden nur Hauptanhörungen
von Angeklagten statt, bzw. wurden ergänzt. Nach einer Pause von 3 Monaten
werden hoffentlich am 24. September Anhörungen Dutzender Zeugen folgen. Meiner Meinung
nach wird dieser Prozess in diesem Jahr nicht mehr zum Abschluss kommen.
Shahram
Abdullah Zadeh verbrachte 22 Monate in Haft. Erst nachdem seine Familie und
Freunde einen „Rekord-Kautionsbetrag“ von 150 Millionen CZK (etwa 5,8 Millionen
EUR) hinterlegten
und er dazu unterschiedliche zusätzliche Pflichte akzeptiert hatte, wurde er
aus der Haft entlassen. Noch im Gefängnishof wurde er auf Befehl eines
Staatsanwalts erneut von der Polizei festgenommen, mit dem Ziel, in die
vorläufige, zeitlich unbegrenzte Haft zu setzen. In diesem Fall hat das
Kreisgericht Brünn den Antrag abgelehnt , weil es keine juristischen und
sachlichen Voraussetzungen dafür befunden hat.
Außerdem berücksichtigte das Gericht die hohe Kaution als Sicherheit, dass
Shahram Abdullah Zadeh die Tschechische Republik nicht verlässt.
Die
pPsychologische Auswirkungen dieses Ereignisses auf den Angeklagten, seine
Familie und Freunde waren furchtbar. Man könnte von ursachenlosen psychologischen
Misshandlungen sprechen. Der Staatsanwalt, der sich diesen Versuch ausgedacht hat,
konnte es sich erlauben, weil er sicher sein
konnte, dass seine schlechte Behandlung des Angeklagten und seiner
Familie straflos bleibt.
Danach
nahm der Angeklagte an allen Gerichtsverhandlungen teil und erfüllte alle
zusätzlichen Pflichten. In der Zwischenzeit hat er eine junge Tschechin
geheiratet, die jetzt ein Kind von ihm erwartet.
Die
Behörden haben aber die Idee nicht aufgegeben, gleichzeitig 150 Millionen CZK
in der Kasse haben und einen iranischen
Milliardär hinter das Gitter zu bekommen. Am 2. Dezember 2016 wurde er wieder
angehalten und beschuldigt, während seiner Haft in 2015 eine kriminelle Gruppe
ausgebildet zu haben, die Zeugen im „grossem“ Verfahren zu seinen Gunsten beeinflussen
sollte. So ist das „kleine“ Verfahren
entstanden.
Das
Stadtgericht Brünn hat Shahram Abdellah Zadeh und zusammen mit ihm weitere fünf
Personen in Haft genommen, obwohl klar war, dass er während der Haft keine
persönlichen Kontakte zu den Mitbeschuldigten hatte. Sie haben alle
Aktivitäten ohne sein Wissen realisiert.
Als Ergebnis enthielt er später
Erklärungen von Zeugen in Form von notariellern Protokollen, die einige
Zeugenaussagen aus dem Vorverfahren widerlegen sollten. Außerdem haben die
Zeugen Strafanzeigen gegen die Ermittler vorgestellt, die aber keine Folgen für
die Polizisten hatten.
Seit
2. Dezember 2016 nimmt Shahram Abdullah Zadeh an Gerichtshandlungen teil, stets
in Begleitung von sechs mit
Maschinengewehren bewaffneten Gefängniswächtern. Drei von ihnen
bleiben mit ihm im Gerichtssaal: wahrscheinlich schützen sie ihn vor dem
Richter, Anwälten und bestimmten Personen von aus der Öffentlichkeit. Er hatte die oben
angeführten Erklärungen während seines Verhörs vor dem Gericht zur Verfügung,
aber hat sie nicht gebraucht. Gemäß dem aktuellen tschechischen Strafgesetz sind am
meisten die Vorbereitungen einer Straftat straffrei.
Seine
sogenannten Helfer haben für ihre Bemühungen gutes Geld erhalten. Aber sie
haben die Polizei freiwillig über seiner Tätigkeit informierten und das gesamte
verdiente Geld freiwillig herausgegeben.
Alle Kontakten zu ihm und allen
Mitbeschuldigten haben sie der Polizei immer gemeldet. Selbstverständlich
waren sie weder unter den Mitbeschuldigten noch in Haft.
Es
gibt eine wirkliche Kuriosität: eine Verbrechergruppe, in der die Hauptarbeit
nur Helfer der Polizei vollbrachten. Derartiges sieht man nicht oft.
Das
Gericht hat nur im Falle von Shahram Abdullah Zadeh alle drei gesetzlichen
Haftungsgründe angewendet . Die Kaution
hatte in diesem Fall für das Gericht keine Bedeutung und das Kreisgericht Brünn war damit
einverstanden. Es gibt noch eine
Kuriosität: zwei Richter desselben
Gerichts haben dieselbe Frage auf unterschiedliche Weise entschieden.
Die
Kollusionshaft ist auf 3 Monaten begränzt, d.h. sie sollte in unserem Fall am
3. März enden. Wegen der Unverantwortlichkeit des Staatsanwalts wurde
sie erst am 11. April vom Stadtgericht
aufgehoben. Die Verlängerung von der Kollusionshaft war ein
unangenehmer Eingriff ins Familienleben des Ehepaars, weil es die Anwesenheit
einer Polizistin bei den Besuchen ertragen musste.
Am
11. April 2017 beschloss das Stadtgericht Brünn, den Beschuldigten aus der Haft
zu entlassen. Das Kreisgericht hat diese Entscheidung auf Beschwerde
des Staatsanwalts diese Entscheidung annulliert. Nach Auffassung des
Staatsanwalts und des Gerichts besteht die Gefahr der Flucht von Shahram
Abudullah Zadeh trotz der Kaution fort, auch sei es möglich, dass er seine
Straftätigkeit fortsetzt. Es ist nur unklar, mit wem er sie fortsetzen könnte,
wenn die Gruppe der angeblichen Mittätern von der Polizei zerschlagen wurde.
Die
Verteidiger haben die schriftliche Entscheidung erst am 19. Juni 2017 erhalten.
Am
19. Juli 2017 hat fand eine weitere Gerichtsverhandlung des Stadtgerichts von
Brünn stattgefunden. Das Gericht hat in diesem Fall hat den Freilassungsentwurf
abgelehnt. Der Richter hat sich der rechtlichen Auffassung desAnsicht vom
Kreisgerichts Brünn untergeordnet. Die Kaution wurde erneut in Betracht nicht gezogen.
Es wird unter Zadeh´s Freunden über das staatliche Banditismus gesprochen.
Niemand
weiß, wann Shahram Abdullah Zadeh freikommt. Das ist nur ein Beispiel, wie es in
der Tschechischen Republik mit der Einhaltung von Gesetzen im Strafverfahren tatsächlich aussieht. Leider ist das keine
Ausnahme. Ich könnte noch andere ähnliche Beispiele zuliefern, allerdings ist
die Konzentration von Anomalien in diesem Fall außerordentlich hoch.
Über
den Autor: Ich bin ein
spezialisierter Blogger, der die Anomalien von Strafverfahren verfolgt. Ich
bin Mitglied von der Bürgervereinigung
„Šalamoun“ (Solomon), die Justizopfer unterstützt. Der Präsident von
„Šalamoun“ John Bok ist ein ehemaliger Dissident (Kämpfer gegen das
kommunistischen Regime), einer der persönlichen
Freunde des ehemaligen Präsidenten Václav Havel.
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